Manipulation und Lügen

Im Beitrag „Dopingopfer wider Willen“ des Hamburg Journals vom 20.02.2016 19:30 Uhr (Autor/in: H. Maaßen) beschäftigte sich der Moderator Ansorge mit dem Schicksal eines DDR-Leistungssportlers im Rudern.

Herr Ansorge stellte gleich zu Beginn der Anmoderation zu diesem Thema die Zielrichtung des dann folgenden Beitrages klar – die Delegitimierung, Diskriminierung und Verteufelung der vor 27 Jahren einverleibten DDR.

„Doping für sportliche Höchstleistungen, das war in der DDR gang und gäbe, denn die Diktatur (Sprich die Volksmacht in der DDR) erwartete Goldmedaillen von ihren Sportlern. Athleten wurden nach allen Regeln der Medizinkunst gedopt, oft ohne selber davon zu wissen“

Nun hätte zumindest Lutz Marmor, seines Zeichens Intendant des Norddeutschen Rundfunks, Klarheit in diese offensichtliche Lüge durch Weglassen von objektiven Fakten bringen können.

Lutz Marmor der sich am 14. Januar 2016, 18.45 Uhr als Gast bei „Das!“ auf dem „Roten Sofa“, noch vehement gegen den Vorwurf der „Lügenpresse“ wehrte hätte hier ein positives Zeichen setzen können.

Lutz Marmor ist sicherlich bewusst, dass seit 1990 behauptet wird, der DDR-Sport hätte seine großen internationalen Erfolge durch staatlich verordnetes Doping seiner Sportler erreicht.

Also ist für Herrn Lutz Marmor die Faktenlage klar! Was soll man da noch prüfen und Recherchieren?

So betet die Sendeanstalt des Lutz Marmor wider besseren Wissens das nach was seit Jahr und Tag auf uns einrieselt.

Die herrschenden politischen Kräfte der Bundesrepublik führen seit 1990 eine großangelegte Kampagne zur Verteufelung des DDR-Sportes. Damit einher ging auch die juristische Bestrafung von Ärzten, Trainern, Wissenschaftlern und Funktionären des DDR-Sports. Sie wurden wegen Dopingvergehen mit Freiheits- und Geldstrafen belegt.

Lutz Marmor kennt sicherlich (und sollte diese kennen) die am 17. April 2013 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung der Humboldt Universität zu Berlin. Deren Titel:

»Doping in Deutschland (BRD) von 1950 bis heute aus historisch soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation«.

Nach diesem Untersuchungsbericht wurden Sportler in der Bundesrepublik Deutschland spätestens seit Beginn der neunzehnhundertfünfziger Jahre systematisch und staatlich organisiert gedopt. Das Ziel: Olympische Medaillen.

Das geschah, so die Verfasser des Berichtes, nicht etwa als Reaktion auf das Dopinggeschehen in der DDR, sondern parallel dazu.

»Vorsorglich« waren zum Zeitpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung bereits viele Beweise für das staatlich organisierte Doping in der BRD dem Reißwolf übergeben. Trotzdem belegt diese Dokumentation ein vom BRD-Staat über Jahrzehnte systematisch verordnetes Doping seiner Leistungssportler.

Mit Steuermitteln finanzierte der BRD-Staat Versuche mit leistungsfördernden Substanzen wie Anabolika, Testosteron, Östrogen oder dem Blutdopingmittel Epo an den Sportlern.

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) verteilte demnach zehn Millionen D-Mark Steuergelder an die zentralen sportmedizinischen Standorte in Freiburg, Köln und Saarbrücken. Das Doping ging quer durch zahlreiche Sportarten.

Westdeutsche Sportmediziner schreckten, so der Bericht, auch nicht vor dem Doping minderjähriger Sportler zurück.

Der Autor des Berichtes „Dopingopfer wider Willen“ und Lutz Marmor hätten sehr leicht viele geschädigte Opfer dieser Dopingpraxis im Westteil Deutschlands finden können.

Aber damit wäre dann der auftragsgemäße Sinn des Beitrages, die Verteufelung der DDR, „im Eimer“ gewesen.

Selbst nach der eindrucksvollen Offenbarung durch die Humboldt Universität zu Berlin gab es auch damals noch »Kämpfer für Freiheit und Recht« in der BRD, die einen Unterschied in der Bewertung zwischen dem Doping in der DDR und der BRD festzustellen glaubten. So geschehen am 6. August 2013 in den ARD-Tagesthemen.

Der »Dopingexperte« Hajo Seppelt bewertete das Doping in der DDR in der bekannten Art und Weise als weitaus katastrophaler als das Doping in der BRD.

Im aktuellen Beitrag „Dopingopfer wider Willen“ wird hingegen mit keinem Wort auf die Dopingpraxis des BRD-Regimes eingegangen.

Der »Experte« Seppelt hatte durchaus Recht damit, dass es auch im sportlichen Bereich einen sehr großen Unterschied zwischen der DDR und der BRD gab. Allerdings betraf dieser Unterschied nicht die Anwendung von Doping.

Der grundsätzliche Unterschied zwischen der DDR und der BRD wird in der einzigartigen Förderung des Breitensports der DDR sichtbar. Dieser brachte eine Vielzahl an sportlichen Talenten aus allen Bevölkerungsschichten zu Tage, die dann dem Leistungssport der DDR zur Verfügung standen.

Der DDR-Staat kümmerte sich intensiv um diese Talente. Der Geldbeutel der Eltern solcher Talente spielte keinerlei Rolle. Systematisch und mit großem finanziellem und materiellem Aufwand wurden so aus dem Breitensport Spitzensportler entwickelt.

Darin lag der Erfolg des DDR-Sports begründet, nicht im Doping.

Anderenfalls hätten die gedopten Sportler der damaligen BRD mit rund 63 Millionen Einwohnern (DDR 16 Millionen, 1990) auch mindestens das Dreifache an Medaillen bei Olympia erringen müssen. Aber die sportlichen Ergebnisse der DDR bei den Olympischen Sommerspielen 1988 zeigten ein umgekehrtes Verhältnis. Die dort errungenen Medaillen belegen bis heute die große Überlegenheit der sozialen Sportpolitik der DDR.

Die BRD errang bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul 40 olympische Medaillen, davon 11 goldene. Das waren gerade einmal 39,2 % der von der DDR erkämpften olympischen Trophäen.

Die DDR lag bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul mit 102 olympischen Medaillen, davon 37 Goldmedaillen auf Platz zwei der Weltrangliste.

Wir konstatieren, auch das staatlich organisierte und praktizierte massive Doping seiner Sportler half dem BRD-Staat nicht zum sportlichen Erfolg, den er aber als politisches  Aushängeschild ebenso sehr wünschte wie die DDR.

Das der BRD-Staat schon sehr früh das Doping seiner Sportler akzeptierte zeigt der Fall des als das „Wunder von Bern“ bezeichneten Gewinns der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz durch die bundesdeutsche Fußballnationalmannschaft gegen die Nationalmannschaft Ungarns.

Es ist nachgewiesen, dass die Fußballspieler bereits 1954 gedopt waren. Einige dieser Spieler fanden in der Folge einen frühzeitigen Tod. (Siehe auch die Sendung „Abenteuer Diagnose, das Wunder von Bern“ vom 10. Juni 2014)

Eine öffentliche und kritische Aufklärung zu diesem sogenannten „Wunder von Bern“ fand bis heute nicht statt.

Was bleibt ist in diesem Lande die gezielte Geschichtsklitterung durch die öffentlich-rechtlichen Medien.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Es ist die Hoffnung, dass auch die für das Doping in der »alten« BRD Verantwortlichen durch die bundesdeutsche Justiz genauso zur Rechenschaft gezogen werden, wie das mit Verantwortlichen der DDR geschah. Dazu müsste natürlich die anzulegende Elle gleich lang sein. Das wiederum ist aber mit solchen manipulativen Berichten, wie z.B. mit dem oben zitierten des Hamburger Abendjournals kaum zu erwarten.

Obwohl inzwischen bald 27 Jahre seit der Auflösung und Angliederung der DDR an die BRD vergangen sind, ist das Interesse der herrschenden Klasse und ihrer Medien an ihr sehr groß.

Das ist ein äußerst bemerkenswerter Vorgang.

Aber warum dieses große Interesse an einer angeblichen »Aufarbeitung« der untergegangenen DDR?

Noch heute leben verurteilte und ungestrafte Naziverbrecher in der BRD auf freiem Fuße. Von einer Aufarbeitung der Geschichte des Faschismus von 1933 bis 1945 durch den Staat war in der offiziellen Bundesrepublik seit ihrer Gründung nie ernsthaft die Rede.

Für dieses Verhalten des BRD-Staates gibt es nur eine Antwort und eine Begründung.

Die DDR-Gesellschaft bietet bis zum heutigen Tage ein aktuelles praktikables Beispiel zur Lösung der sozialen Probleme für die Menschen in diesem Lande.

Die vielfältigen Beispiele eines wahrhaftigen Sozialhumanismus in der DDR stellen für die herrschende politische Klasse in der BRD anscheinend eine große Gefahr dar.       Ihr politisches System, das auf die Sicherung der Pfründe des Kapitals durch die Ausbeutung des Menschen ausgerichtet ist, könnte auch heute noch durch dieses Beispiel gefährdet werden. Untersuchungen belegen durchaus die Berechtigung solcher Überlegungen der politisch Herrschenden.

Bei den Grundwerten im Leben der Menschen nimmt beispielsweise in Ostdeutschland die soziale Sicherheit auch heute noch den ersten Rang ein.

Auf dem ehemaligen Gebiet der DDR »liegt bei den ab 18-jährigen Bürgern soziale Sicherheit mit 44 % an vorderster Stelle … Die Wertschätzung, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben, ist (kennzeichnenderweise) zu Beginn der 90er Jahre massiv gesunken und erreicht (im Osten) 2012 einen Wert ( von ) 26 % … Ausdruck der erreichten Identifikation der Bürger der neuen Länder ist, dass sich 51 Prozent weder als richtige Bundesbürger fühlen, noch die DDR wiederhaben wollen. … Acht Prozent (aber) wollten ›am liebsten die DDR wiederhaben‹ …« [1]

Die prekäre soziale Lage im Lande zeigt ihre Wirkung. Darum ist das Interesse der Herrschenden der BRD an der Wirklichkeit der vergangenen DDR nicht nur nicht wohlwollend, sondern abwertend und diskriminierend. Damit soll nach dem Willen der herrschenden politischen Klasse unter allen Umständen die Erinnerung an das sozialhumanistische Beispiel DDR aus der Welt geschaffen werden.

Dafür scheint jedes Mittel recht.

Dabei ist die DDR unter anderem auch ein Vorbild für die Umsetzung der eigenen in der Bundesrepublik von Ludwig Erhard formulierten (aber leider nicht realisierten) Ziele der »Sozialen Marktwirtschaft«.

Das betrifft zum Beispiel:

  • die Überwindung des »Ressentiments zwischen ›arm‹ und ›reich‹«, weil sich in der DDR keiner auf legale Weise auf Kosten eines anderen bereichern konnte.
  • Die DDR ist auch Beispiel für eine Politik für die »Maßstab und Richter über Gut und Böse der Wirtschaftspolitik … ausschließlich der Mensch, der Verbraucher, das Volk …« war.
  • Die DDR ist auch ein Beispiel dafür, dass »… jeder wirtschaftliche Fortschritt und jede Verbesserung in der Arbeitsweise sich nicht in höheren Gewinnen, Renten oder Pfründen … (des Kapitals wiederfand), sondern … alle diese Erfolge an den Konsumenten weitergegeben (wurden).« 

Sozialstaatlichkeit kostet viel, sehr viel Geld, welches hierzulande systemimmanent zum großen Teil in den Profiten der Marktmächtigen »versandet«.  Für die herrschenden reichsten 10 % der bundesdeutschen Gesellschaft kann eine Sozialstaatlichkeit à la DDR natürlich kein erstrebenswertes Ziel sein. Ein praktizierter Sozialstatus wie jener der DDR ruft bei dieser gesellschaftlichen Minderheit, aufgrund ihres ungeheuren Luxus, nur ein müdes Lächeln hervor. Und daher fürchtet diese gesellschaftliche Minderheit beim Betrachten dieses Sozialstatus für eine Mehrheit des Volkes um die Freiheit ihrer eigenen etablierten komfortablen Existenz.

Aber für den größten Teil der Bürger der BRD die von „Lohn, Gehalt, Provision und Rente“ leben, kann der sozialhumanistische Standard einer DDR eine erstrebenswerte soziale Perspektive sein.

Das trifft insbesondere auch auf die auf und ab schwankenden offiziell geführten rund drei Millionen Arbeitslosen, die über sieben Millionen Niedriglohnempfänger, die über drei Millionen in Armut lebenden Kinder und Jugendlichen, die 4,4 Millionen Leistungsempfänger von Hartz IV, die 4,9 Millionen in verdeckter Armut lebenden Menschen, die über eine Million in Armut lebenden Rentner, die 1,5 Millionen Menschen, die auf die Hilfe der »Tafeln« angewiesen sind und die mehr als 24  000 Obdachlosen im Lande, zu.

Aus diesem Grund versucht die herrschende politische Klasse der bundesrepublikanischen Gesellschaft immer aufs Neue und intensiver als je zuvor die vor siebenundzwanzig Jahren »angegliederte« DDR zu delegitimieren.

Dafür kommen ihre öffentlich finanzierten Staatsmedien ARD und ZDF und das ganze Arsenal der gebrandmarkten „Lügenpresse“ zum Einsatz.

Historische Tatsachen werden verdreht, verzerrt, diskriminiert oder totgeschwiegen und durch Subjektivismus ersetzt.

Jürgen Heidig

[1] »Bundesverband der Volkssolidarität«, Sozialreport 2012: »Gemischte Stimmungslage in Ostdeutschland«, 25.10.2012.

Siehe auch: Jürgen Heidig, „Kapitalherrschaft oder Demokratie“, Verlag Wiljo Heinen, 2014.

 

 

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